Ueber das Doppler’sche Princip

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Autor: Woldemar Voigt
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Titel: Ueber das Doppler’sche Princip
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aus: Göttinger Nachr., Nr. 8, 41-51. Sitzung vom 8. Januar 1887. Ausgegeben am 10. März 1887.
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Dieterichsche Verlags-Buchhandlung
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Ueber das Doppler’sche Princip.
Von
W. Voigt.


Die Differentialgleichungen für die Oscillationen eines elastischen incompressibeln Mediums sind bekanntlich:

1)

worin die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Oscillationen — genauer die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ebener Wellen mit constanter Amplitude — bezeichnet. Dabei ist vorausgesetzt, daß , , die Relation erfüllen:

1')

Es seien nun , , Lösungen dieser Gleichungen, welche an einer gegebenen Oberfläche gegebene von der Zeit abhängige Werthe , , annehmen, so kann man sagen, daß diese Functionen , , das Gesetz darstellen, nach welchem die Oberfläche leuchtet.

Vertauscht man in , , resp.

2)

und bezeichnet die so erhaltenen Functionen resp. mit , , , so läßt sich durch , , ebenfalls den Gleichungen (1) genügen.[AU 1]

Denn man erhält z. B. für die erste von ihnen:

und diese ist, da ja sein muß:

erfüllt, wenn folgende neue Gleichungen bestehen:

3)

4)

5)

Nimmt man als gegeben an, so hat man 12 verfügbare Constanten, kann also über drei von ihnen willkürlich verfügen.

Die Auflösung erfolgt am bequemsten, wenn man vorübergehend ein Coordinatensystem , , , benutzt, für welches in den Gleichungen (2) und verschwinden, gleich wird; d. h. ein solches, dessen -Axe in die Richtung fällt, deren Richtungscosinus gegen , , mit , , proportional sind.

Es sei ferner gesetzt

dann sind , , die Richtungscosinus von 4 Richtungen, die wir durch , , und bezeichnen wollen, gegen das System , , .

Durch diese Einführungen werden unsere Gleichungen (3), (4) und (5):

3')



4')



5')

Nach (4') stehen die drei Richtungen , , zu einander senkrecht, nach (5') fällt mit zusammen, es muß also sein:

6)

Dies in (3') eingesetzt bestimmt und .

Man erhält zunächst, da nur positive Zeichen einen Sinn geben:

Ich werde nur die erste Lösung benutzen, da die zweite kein Interesse bietet[1]; aus ihr folgt:

7)

Hiernach können wir die Gleichungen (2) schreiben:

8)

wo für , , keine weiteren Bedingungen mehr gelten, als die aus ihrer Bedeutung als Richtungscosinus von drei auf einander normalen, aber sonst ganz beliebigen Richtungen hervorgehenden.

Es können daher die mit bezeichneten Aggregate als die Coordinaten der Stelle in Bezug auf ein mit den Richtungen zusammenfallendes Coordinatensystem angesehen werden.

Jedes derartige System , , giebt eine Lösung , , aus gegebenen , , . Nahmen , , an einer Oberfläche gegebene Werthe , , an, so , , aus jenen ableitbare , , an der Oberfläche , welche wegen der Werthe von , , die Eigenschaft hat, sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit parallel der durch die Richtungscosinus gegebenen Richtung oder fortzuschieben. Die Lösungen , , geben also die Gesetze, nach welchen gewisse in fortschreitender Bewegung begriffene Oberflächen leuchten, wenn sie nur noch der Bedingung

genügen. Die beiden Oberflächen und sind der Form nach nur identisch wenn , d. h. so klein gegen ist, daß neben vernachlässigt werden kann. Ist dies der Fall, so sind sie nur durch ihre Lage gegen die Coordinatenaxen verschieden. Durch geeignete Verfügungen über die willkürlichen Constanten und die Functionen , , kann man anschauliche specielle Fälle erhalten. Durch Transformation der Coordinaten gelangt man dann zu dem wenigstens formell allgemeineren Falle, daß die Verschiebung der Fläche nicht der -Axe parallel, sondern beliebig gerichtet ist.

Wir verfolgen den speciellen Fall, daß die drei Richtungen , , in die drei Coordinatenaxen , , fallen, d. h.

9)

Dann wird sehr einfach, der Form nach naturgemäß mit (8) identisch:

[AU 2] 10)

Die Bedingung (1') lautet in diesem Falle

was sich ohne Weiteres vertauschen läßt mit

10')

Dies sagt aus, daß in die Argumente und nur in der Verbindung oder garnicht vorkommen dürfen. Letzteres ist der Fall wenn ist, d. h. wenn die fortgepflanzten Schwingungen überall normal zur Translationsrichtung der leuchtenden Oberfläche stehen.

Geht man von dem vorausgesetzten speciellen Coordinatensystem , , zu dem allgemeinen , , über, welches durch die Relationen

11)

mit dem ersteren zusammen hängen möge, so erhält man schließlich

12)

Das ist die allgemeine Form (2) von der wir ausgegangen sind, aber mit vollständig durch , , , bestimmten Constanten, sie enthält das, was man gewöhnlich unter dem Doppler’schen Princip versteht, soweit dasselbe richtig ist.

Kann man hierin neben vernachlässigen, so ist und man erhält sehr einfach:

13)

Die Bedingung (1') lautet hierbei:

13')

und ist bei den angenommenen Vernachlässigungen nur soweit zu erfüllen nöthig, daß das in multiplicirte Glied von erster Ordnung wird.

Bewegt sich außer der leuchtenden Oberfläche auch der Beobachter, etwa mit der constanten Geschwindigkeit in einer durch die Richtungscosinus , , gegebenen Richtung, so sind die Verschiebungen , , , nur auf ein mit dem Beschauer bewegtes Coordinatensystem , , zu beziehen, also in (12) oder (13) mit , mit , mit zu vertauschen.

Wir machen von dem Gefundenen einige Anwendungen.

1) Sei eine Ebene parallel der -Ebene in Schwingungen versetzt nach dem Gesetz

so ist die nach der positiven -Axe fortgepflanzte Bewegung gegeben durch:

Machen wir hierin die Substitution nach (10) so ergiebt sich:

Dies giebt für :

14')

wir haben also eine mit der (nur um eine Größe zweiter Ordnung von verschiedenen) Schwingungsdauer schwingende und dabei mit der Geschwindigkeit parallel der -Axe fortschreitendende (leuchtende) Ebene. Die fortgepflanzte Schwingung läßt sich schreiben:

14)

Wir erhalten also in der fortgepflanzten Welle eine im Verhältniß verringerte Schwingungsdauer.

Bewegt sich auch noch der Beobachter, so gilt:

Diese Formel giebt das Doppler’sche Princip für ebene Wellen. Aber sie ist keineswegs allgemein gültig, sondern setzt ganz wesentlich eine Wellenebene mit durchweg constanter Amplitude voraus.

2) Sei dieselbe Ebene versetzt in Schwingungen nach dem Gesetz:

— wie es ähnlich auftritt, wenn eine Welle mit ursprünglich constanter Amplitude durch ein Prisma aus einer absorbirenden Substanz gegangen ist —, dann gilt für die fortgepflanzte Welle:

Nimmt man hier die Substitution gemäß (10) vor, so kommt, falls gesetzt wird:

Dies giebt für , falls man , schreibt:

also eine schwingende und zugleich fortschreitende Ebene; die fortgepflanzte Verrückung aber schreibt sich:

15)

worin jetzt ist.

Man bemerkt, daß hier ganz andere Gesetze gelten als durch das Doppler’sche Princip gegeben sind, selbst wenn man sich auf die erste Annährung beschränkt und neben 1 vernachlässigt.

3) Ist die leuchtende Oberfläche eine sehr kleine[AU 3] Kugel vom Radius , welche nach dem Gesetz für den Drehungswinkel

um die -Axe oscillirt, so sind in der Entfernung vom Kugelmittelpunkt die fortgepflanzten Drehungen gegeben durch[2]</ref>:

16)

worin

gesetzt ist. Es wird also für und wenn sehr groß gegen die Wellenlänge ist.

Die fortgepflanzten Verrückungen folgen aus durch:

wir setzen kurz:

Setzt man hierin für , , die Werthe , , nach (10), so wird der periodische Theil :

17)

Für d. h. an der Oberfläche einer mit der Geschwindigkeit parallel der -Axe verschobenen Kugel wird dies

also, da nach der Annahme und zweiter Ordnung ist:

und haben denselben Werth, als ob die kleine Kugel um die zur Zeit erreichte Position als Gleichgewichtslage oscillirte. Wir erhalten demnach durch , , die von einem in fortschreitender Geschwindigkeit parallel der Richtung der Rotationsaxe befindlichen durch Rotation »leuchtendem Punkte« ausgesandte Bewegung gegeben.

Die fortgepflanzten Wellenflächen beurtheilen sich nach dem Werth (17) für , der sich unter Einführung der relativen Coordinaten gegen den bewegten leuchtenden Punkt , , schreiben läßt bei Vernachlässigung von neben 1 und für gegen großes :

Die Wellenflächen sind also Kugeln, aber nicht um den leuchtenden Punkt, sondern eine um den ten Theil ihrer Radien nach der der Bewegung entgegengesetzten Richtung von ihm abliegende Stelle als Centrum zu construiren.

Ein ruhender Beobachter würde also, da die Normale auf der Wellenfläche durch die Beobachtungsstelle die Richtung angiebt, in welcher die Lichtquelle wahrzunehmen ist, den leuchtenden Punkt an der Stelle sehen, an welcher er sich vor der Zeit befand, oder anders ausgedrückt: er würde, falls sein Radiusvector mit der Bewegungsrichtung den Winkel einschließt, eine »Aberration« von der Größe , in der der Bewegung des Punktes entgegengesetzter Richtung wahrnehmen.

Was die fortgepflanzten Amplituden und angeht, so haben sie an der Stelle nach dem Obigen zur Zeit diejenigen Werthe, als ob der leuchtende Punkt sich dauernd an der zu dieser Zeit erreichten Stelle befunden hätte, während doch die Wellenfläche in die Form hat, als verharrte der leuchtende Punkt an der zur Zeit erreichten Stelle. Es gehören also Wellenfläche und Amplitude nicht in dem Sinne, wie bei einem ruhenden leuchtenden Punkte zusammen, letztere ist von der augenblicklichen, erstere von einer verlassenen Position des leuchtenden Punktes abhängig.

So giebt sich das eigenthümliche Resultat, daß ein Beobachter einen so bewegten leuchtenden Punkt constanter Intensität, der sich zur Zeit in der Entfernung von ihm befindet, in derjenigen Lage sieht, welche er vor der Zeit hatte, aber mit der Intensität, wie sie der augenblicklichen (größeren oder kleineren) Entfernung entspricht.[AU 5]

Die Anwendbarkeit der obigen allgemeinen Betrachtungen auf Probleme der Optik ist beschränkt durch die Nebenbedingung (1'), die auf die Formeln (10') und (13') geführt hat.

Eine solche Beschränkung findet bei den analogen Problemen der Akustik von Flüssigkeiten nicht statt. Denn für die fortgepflanzte Dilatation gilt hier die einzige Bedingung

Es giebt daher, wenn durch die Nebenbedingungen längs einer gegebenen Oberfläche als beliebige Function der Zeit vorgeschrieben ist, die Einführung einer der Substitutionen (10), (12) oder (13) stets den Uebergang von der Wirkung einer ruhenden Schallquelle zu derjenigen, welche sie in fortschreitender Bewegung begriffen ausübt.

Ist z. B. an einer sehr kleinen Kugel vom Radius gegeben , so giebt sich die fortgepflanzte Dilatation:

Die Substitution (10) giebt den Einfluß einer Translation der »tönenden« Kugel parallel der -Axe. Die Discussion des Resultates ist der unter 3) angestellten analog.


  1. Aus ihr folgt also auch , und hiernach .
  2. W. Voigt, Crelles Journ. Bd. 89, 298.[AU 4]

Anmerkungen des Autors

Aus dem Neudruck der Arbeit in: Physikalische Zeitschrift (1915), 16, 381-385 Princeton

Die Geburtstagsfeier des Relativitätsprinzips veranlaßt die Redaktion den Lesern der Phys. Ztschr. anbei einen gelegentlich in Vergessenheit geratenen, sehr frühzeitigen Vorläufer desselben vorzulegen. Tatsächlich wird in dieser, aus den Nachr. d. Kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Sitzung vom 3. Januar 1887 stammenden Notiz die grundlegende Transformation der optischen Differentialgleichung schon klar formuliert. Nur die durch Einklammerung kenntlich gemachten Zusätze wurden gelegentlich des jetzigen Neudrucks von dem Herrn Verfasser hinzugefügt.

  1. Wegen der gleichen Ordnung aller Glieder der Gleichung (1) können die rechten Seiten der Substitutionsformeln (2) mit einem gemeinsamen Faktor multipliziert werden, ohne daß sich an den Resultaten etwas ändert.
  2. Dies ist bis auf den für die Anwendungen irrelevanten Faktor genau die Lorentz-Transformation vom Jahre 1904.
  3. Dies wird später genauer dahin präzisiert, daß der Radius klein gegen die Wellenlänge sein soll. Die Formeln (16) und (17) setzen diese Annahme aber nicht voraus.
  4. Ebenda finden sich auch die Gesetze für die Emission einer geradlinig oszillierenden Kugel, die eine gleiche Verwertung gestatten.
  5. Die weitere Verfolgung derartiger Probleme ist s. Z. unterblieben wegen der physikalischen Schwierigkeit einer vollständigen Realisierung der Voraussetzungen der Arbeit — Translation oszillierender Flächen oder Körper innerhalb des die Schwingungen fortpflanzenden Mediums — im Gebiete der Elastizität. Jene Schwierigkeit existiert nicht im Gebiete der Lorentzschen Elektrodynamik, welche den Äther durch alle ponderabelen Körper hindurch erstreckt und letztere innerhalb des ersteren frei beweglich annimmt; jene ist demgemäß der Anwendung der oben auseinander gesetzten Methode viel günstiger. In der Tat haben die oben an einem Beispiele dargelegten Kugelprobleme die nächste Beziehung zu dem Problem des oszillierenden und zugleich fortschreitenden Elektrons, das viele Jahre nach der obigen Arbeit aktuell geworden ist.